Tod und Wiedergeburt

Aus dem Buch "Tod und Wiedergeburt" von Sri Chinmoy

Aus dem Buch "Tod und Wiedergeburt" von Sri Chinmoy

Warum ist der Tod nötig? Warum kann sich die Seele nicht im selben Körper entwickeln und Fortschritt machen?

Vorläufig ist der Tod eine Notwendigkeit, d.h. wir brauchen den Tod. Wir können nichts längere Zeit ununterbrochen tun. Wir spielen fünfundvierzig Minuten oder eine Stunde lang und dann werden wir müde und müssen uns ausruhen. Mit unserem inneren Streben verhält es sich genauso. Angenommen wir leben sechzig oder siebzig Jahre lang auf der Erde. Von diesen sechzig oder siebzig Jahren meditieren wir vielleicht zwanzig oder dreißig Tage und selbst dann nur wenige Stunden. Ein gewöhnlicher Mensch kann sein inneres Streben in seiner Meditation normalerweise nicht einmal eine Stunde lang ohne Unterbrechung aufrecht erhalten. Wie kann er das innere Streben, die Wirklichkeit oder das Bewusstsein besitzen, das ihn auf einmal zur ewigen Wirklichkeit beziehungsweise zum unvergänglichen All-Bewusstsein bringen soll? Auf unserer heutigen Entwicklungsstufe hilft uns der Tod in einer bestimmten Hinsicht. Er gibt uns die Möglichkeit, eine Pause zu einzulegen. Wenn wir dann wieder auf die Erde zurückkommen, kommen wir mit neuer Hoffnung, neuem Licht und neuem inneren Streben. Doch wenn wir unser inneres Streben bewusst aufrecht erhalten würden und in uns stets eine aufwärtsstrebende innere Flamme brennen würde, könnten wir sehen, dass der physische Tod leicht zu überwinden ist. Der Tag wird kommen, an dem der Tod nicht mehr notwendig sein wird. Doch im Augenblick fehlt uns die Fähigkeit, wir sind schwach. Spirituelle Meister und befreite Seelen hingegen haben die Meisterschaft über den Tod, doch sie verlassen den Körper, wenn das Göttliche es wünscht. Ein gewöhnlicher Mensch, der zwanzig, dreißig oder vierzig Jahre lang die Bürde einer ganzen Familie auf seinen Schultern getragen hat, wird sagen: „Ich bin müde. Ich brauche eine Ruhepause.“ Für ihn hat der Tod wirklich einen Sinn. Die Seele geht in die Seelenwelt und genießt die kurze Rast. Doch für einen göttlichen Krieger, einen Sucher der letzten Wahrheit, hat der Tod keinen Sinn. Er möchte andauernd und ohne Unterbrechung voranschreiten. Deshalb wird er versuchen, in beständiger, ewiger Strebsamkeit zu leben. Mit dieser ewigen Strebsamkeit wird er versuchen, den Tod zu besiegen, so dass er eine ewige äußere Manifestation des Göttlichen in ihm sein kann.

Ist es möglich, dass ein Mensch erfahren kann, was der Tod ist, indem er zu Lebzeiten in den Tod eintritt?

Auf der allerhöchsten Stufe der Meditation kann man leicht erfahren, was der Tod ist. Unzählige Male habe ich den Tod erfahren. Wenn ich meinen Schülern helfen will, gehe ich in meinen Meditationen häufig über den Tod hinaus. In Trance geht man in viele Welten, in viele Ebenen und Regionen jenseits der Todesgrenze. Manchmal können wir der Seele direkt folgen, wenn sie den Körper verlässt. Dann können wir die volle Erfahrung des Todes machen, während wir im Körper verbleiben. Meine erste Erfahrung dieser Art hatte ich mit einer meiner Schwestern, die starb, als ich achtzehn Jahre alt war. Ich hatte diese Fähigkeit und so folgte ich der Seele meiner Schwester etwa drei Stunden lang in die Welt des Todes. Man fühlt sich dabei wirklich tot. Während dieser Zeit existiert der Körper für einen nicht mehr.. Man fliegt nur mit seinem Bewusstsein, man erhält das Gefühl wie ein Drachen zu fliegen. Wenn man diese Fähigkeit hat, kann man ein wirkliches Todeserlebnis in dieser Welt haben. Während der Meditation ist es ganz leicht. Man kann seinen Körper in der Welt des Lebens und sein Bewusstseins­licht in der Welt des Todes halten.

Was bedeutet diese Übung in spiritueller Hinsicht und wozu ist sie notwendig?

Es ist nicht notwendig diese Übung zu machen. Aber wenn man in dieser Welt etwas lernen möchte, so kann man es ohne weiteres tun. Diese Dinge werden uns in keiner Weise dabei helfen, Gott zu verwirklichen, doch wenn wir Zeit haben, wenn wir Geduld haben, wenn wir eifrig sind, dann schadet es nicht. Es ist, als würden wir auf einer Straße gehen. Wir können direkt zum Ziel gehen, aber wenn wir wollen, dann können wir auch einen Rundgang machen und uns die Gegend anschauen oder ein paar Früchte von den Bäumen pflücken und sie essen, während wir weiter dem Ziel entgegengehen. Im Verlauf unseres spirituellen Lebens wird jeder mindestens einmal vor der Selbstverwirklichung die Erfahrung des Todes machen.

Ist der Tod schmerzhaft?

Es kommt auf den Einzelnen an. Wenn man nicht gebetet, nicht meditiert und kein spirituelles Leben geführt hat, dann ist es wirklich schmerzhaft, sich von diesem Leben zu trennen, da man den Willen Gottes nicht hinnehmen will. Zum einen kennt man kein Sehnen danach, Gottes Willen zu kennen oder zu fühlen, zum anderen spürt man auch nicht Gottes bewussten Schutz, seine Führung und Anteilnahme, so dass man das Gefühl hat, man sei völlig verloren. In dieser Welt kann man nichts tun, in der anderen Welt ist alles unsicher. Wenn das innere Streben fehlt, hat man schreckliche Angst, denn gewöhnliche Menschen betrachten den Tod als etwas völlig Unbekanntes. Sie wissen nicht, wohin sie gehen. Aber spirituelle Sucher wissen, dass sie zum Höchsten gehen, zum Wohnsitz des Herrn. Sie kennen das Ziel zwar vorübergehend nicht, doch jenes Bewusstsein, jene Ebene ist ein Reich des Friedens und der Ruhe. Es gehört dem Höchsten, ihrem ewigen Vater. Deshalb haben sie keine Angst. Dann gibt es natürlich auch körperlichen Schmerz. Wenn jemand bei seinem Tod an einer Krankheit leidet und sie bis zum letzten Augenblick nicht in etwas Höheres oder Tieferes werfen kann, dann werden seine letzten Tage natürlich sehr schmerzvoll sein. Selbst der letzte Augenblick wird schmerzerfüllt sein, weil das Wesen des Todes in einer besonders destruktiven Form zu ihm kommen wird. Die Todeskraft, das Wesen des Todes, erscheint jedem Menschen in einer anderen Gestalt, je nach den Errungenschaften und der Verwirklichung seiner Seele auf der Erde. Gewöhnliche Menschen, die nicht strebsam sind, Leute, die völlig in den Vergnügungen der Unwissenheit schwelgen, werden den Tod als ein schreckliches, unbarmherziges Wesen, als dunkle und furchtbare Gestalt empfinden. Manchmal hat die Todeskraft viele Untergebene, die vor den sterbenden Menschen hintreten. Die Leute sehen oft Tiger oder unvorstellbar große Wesen und bekommen Angst. Aber aufrichtige Sucher sehen ihren spirituellen Meister oder ein leuchtendes Wesen, wie zum Beispiel einen Engel, der sie in einem Wagen mitnimmt. Diese Sucher haben auf der Erde viele Jahre lang hart gearbeitet. Nun möchte ihnen Mutter Erde bewusst ihre segensreiche und göttliche Dankbarkeit anbieten. Ihr innerer Führer oder ihr Guru holt sie, doch sie sehen die gütige Hand Gottes, die sie in Seinem goldenen Boot zum anderen Ufer fährt, unmittelbar vor sich. Manche Leute sehen in ihrer Todesstunde ihre längst verstorbenen Verwandten. Ihre Liebsten kommen und sie werden von Wegkundigen in eine neue Welt gebracht. Wenn wir in den Fesseln der Unwissenheit gefangen sind, dann werden wir bei unserem Tod sowohl innerlich wie äußer­lich Schmerz verspüren. Dieser Schmerz stammt von der Unwissenheit im menschlichen Verstand und im menschlichen Körper, welche verhindert, dass wir bewusst und entschlossen in das Reich des Todes eintreten und über den Tod hinausgehen. Aber sobald der Schleier der Unwissenheit entfernt ist, kann es keinen Schmerz mehr geben, weder im Tod noch in der Weltatmosphäre. Wenn wir die Wurzel unseres Leidens und Schmerzes, die aus Unwissenheit besteht, erfassen und die Unwissenheit mit dem Licht unserer Seele verwandeln können, dann wird der Tod ein Steg zu einem anderen Ufer. Dieses andere Ufer ist das ewige Licht, das durch die Ewigkeit hindurch führt, schützt, gestaltet und formt.

Wie können wir die Furcht vor dem Tod überwinden?

Gegenwärtig fürchten wir uns vor dem Tod, weil wir an uns als unseren Körper, unseren Verstand und unsere Sinne denken. Doch der Tag wird kommen, an dem wir aufgrund unseres Strebens, unserer Gebete und unserer Meditationen, uns nicht mehr als Körper empfinden, sondern als unsere Seele. Wir werden uns als ein bewusstes Instrument Gottes sehen. Da Gott allgegenwärtig ist und Er uns zu Seiner eigenen Manifestation braucht, wie kann Er uns je dem Tod überlassen. Wie weit wir die Todesfurcht besiegen können, hängt davon ab, wie sehr wir Gott lieben und wie aufrichtig wir Ihn brauchen. Wenn man jemanden braucht, schafft man unmittelbar eine Art inneren Zugang zu dieser Person. Wenn unser Bedürfnis nach Gott seelenvoll, hingegeben und dauerhaft ist, dann schaffen wir in der inneren Welt einen freien Zugang zu Gottes Liebe, Gottes Mitleid und Gottes Anteilnahme. Wie können wir uns vor dem Tod fürchten, wenn wir ständig Gottes Liebe, Sein Mitleid und Seine Anteilnahme fühlen können? In dem Augenblick, in dem wir fühlen, dass wir Gott brauchen und Er uns braucht, in dem Augenblick, in dem wir fühlen, dass Gott in uns, vor uns und um uns herum ist, existiert der Tod nicht länger für uns. Wenn Gott unserem Verstand jedoch fern ist, wenn Gott nicht in unserem Herzen wohnt, wenn wir das Gefühl haben, dass Gott weit weg sei - dann natürlich existiert der Tod für uns. Andererseits, wo ist der Tod? Dieser physische Körper wird die Erde verlassen, doch die Seele, die ein bewusster Teil Gottes ist, wird für alle Ewigkeit bewusst in und für Gott bleiben. Es bleibt uns überlassen, ob wir uns als den Körper oder die Seele sehen. Wenn wir in uns nur den Körper sehen und nicht streben, dann sind wir spirituell gesehen schon tot. Wenn wir in uns jedoch die Seele sehen, heißt das, dass wir schon eine innere Verbindung zu Gott geschaffen haben. Wenn wir wissen, dass die Seele unsere wirkliche Wirklichkeit ist, dann werden wir keine Angst mehr vor dem Tod haben.

Kann Meditation dabei helfen, die Angst vor dem Tod zu überwinden?

Durch Meditation ist es dem Sucher leicht möglich, die Todesangst zu überwinden. Meditation bedeutet bewusste Kommunikation mit Gott. Wenn wir unser Einssein mit Gott, der alles Leben verkörpert, festigen können, dann kann es keine Furcht vor dem Tod geben. Wir werden dann nicht nur die Todesfurcht besiegen, sondern noch etwas anderes. Wir werden unseren Zweifel über Gottes Gegenwart in unserem Leben und im Leben anderer besiegen. Es fällt uns leicht zu fühlen, dass Gott nur in uns oder nur in spirituellen Menschen existiert. Doch wenn wir meditieren, dann wird uns klar, dass Gott nicht nur in uns ist, sondern auch in den Menschen, die wir nicht mögen oder schätzen.

Warum müssen viele Menschen so lange Schmerzen erleiden, bevor sie sterben?

Viele kranke Menschen möchten sterben, weil ihre Schmerzen unerträglich sind. Sie wollen von ihren Leiden erlöst werden. Doch warum siechen sie dennoch dahin und leiden? Weil die Reinigung ihrer Natur noch nicht abgeschlossen ist. Durch Reinigung treten wir in ein höheres Leben und in eine erfüllendere Göttlichkeit. Hier wirkt das karmische Gesetz. In unseren vergangenen Leben haben wir vieles falsch gemacht. Die körperliche Qual reinigt uns. Diese Erfahrung ist notwendig, weil dadurch im Bewusstsein der betreffenden Menschen eine neue Weisheit dämmert. Doch wenn jemand bitter leidet, sollten wir nicht an seine vergangenen Taten denken – dass er ein schlechtes Leben geführt und einen schlechten Charakter gehabt hat – und deshalb leidet. Nein, lasst uns mit der Erfahrung, durch die er geht, eins werden. Wenn wir mit der Erfahrung eins werden, gelangen wir in unserer menschlichen Existenz zu echter Erfüllung. Ich möchte noch einmal betonen, dass das karmische Gesetz nicht einfach ist. Es ist äußerst kompliziert. Manche Seelen sind sehr rein und spirituell und dennoch leiden sie, wenn sie sterben. Warum? Wegen ihres vergangenen schlechten Karmas? Nein, sie leiden, weil sie sich mit der Menschheit identifizieren und selbst die bitterste Art menschlichen Leidens erfahren wollen. Fast alle großen spirituellen Meister hatten einen sehr schmerzvollen Tod. Warum? Sie hätten ihren Körper nach eigenem Belieben verlassen können, aber sie taten es nicht. Stattdessen nahmen sie Krebs und andere schwere Krankheiten auf sich und starben erst nach langem Leiden. Sie traten in das Leiden der Menschheit ein und versuchten zu fühlen, wie die Menschheit leidet. Bis wir in das Leiden der Menschheit eintreten, ist alles theoretisch, nichts ist praktisch. Aber wenn gewöhnliche Menschen leiden, sehen wir das karmische Gesetz wirken. Dennoch muss es nicht heißen, dass jemand sehr spirituell oder religiös gewesen ist, wenn er plötzlich an einem Herzversagen stirbt. Gott möchte zu diesem Zeitpunkt durch ihn und vielleicht durch seine Lieben diese besondere Erfahrung machen. Hier ist es keine Frage von gut oder böse, göttlich oder ungöttlich, sondern eine Frage der Erfahrung, die Gott durch diesen bestimmten Menschen machen möchte. Letztlich ist alles, was wir sehen oder haben, eine Erfahrung Gottes.

Kann ein spiritueller Mensch, der einen schmerzhaften Tod hat, die Schmerzen durch Meditation in Freude umwandeln?

Wenn jemand ein aufrichtiger Sucher ist, wird selbst während er stirbt, große Freude über ihn kommen. Trotz des körperlichen Leidens wird die Freude der Seele hervorbrechen und ihn befähigen, bewusst zu meditieren. Wenn man bewusst in den Schmerz eintritt, wird manchmal der eigene innere Mut im Schmerz selbst in Freude verwandelt. Man kann bewusst in den Schmerz eintreten, selbst dann, wenn man sich einer schweren Operation unterzieht. Als ich etwa achtzehn oder neunzehn Jahre alt war, tat ich dies bei einer schweren Operation. Während der Arzt mich operierte, trat ich bewusst in den Schmerz ein und verspürte echte Freude. Ich lächelte den Doktor an und er konnte das einfach nicht verstehen. Doch diese Erfahrung kann jeder machen.

In einer deiner täglichen Meditationen erwähnst du, der Tod sei ein Hindernis. Ich habe immer geglaubt, du würdest den Tod als einen Übergang betrachten, der uns befähigt, wiedergeboren zu werden und ständigen Fortschritt zu machen.

Ich habe gesagt, der Tod sei ein Übergang und Leben und Tod seien wie zwei Zimmer, das Leben sei mein Wohnzimmer, der Tod sei mein Schlafzimmer. Wenn ich sage, der Tod sei ein Hindernis, dann betrachte ich den Tod aus einem anderen Gesichtspunkt. Was ist ein Hindernis? Ein Hindernis ist etwas, das uns am Weitergehen hindert. Es ist eine Grenze, über die wir nicht hinauskommen. Dieses Leben ist eine goldene Gelegenheit, die uns der Supreme gegeben hat. Nun Gelegenheit ist etwas, Errungenschaft ist etwas anderes. Unsere spirituelle Entwicklung, unser innerer Fortschritt ist sehr stetig, sehr langsam und gleichzeitig höchst bedeutsam. Es gibt natürlich Leute, die hunderte oder tausende Inkarnationen lang einem normalen, natürlichen Kreislauf von Geburt und Tod folgen. Dann, eines Tagen in Gottes Ewigkeit, werden sie Gott verwirklichen. Aber einige ernsthafte, aufrichtige Sucher legen ein seelenvolles Versprechen ab, dass sie in diesem Leben, hier und jetzt, Gott verwirklichen werden. Sie sagen dies, obwohl sie wissen, dass dies weder ihr erstes noch ihr letztes Leben ist. Doch sie wissen, dass es Menschen gibt, die Gott verwirklicht haben und sie wollen nicht auf ein künftiges Leben in ferner Zukunft warten. Sie fühlen, dass es nutzlos ist, ohne Gottverwirklichung zu leben. Deshalb wollen sie die Gottverwirklichung so bald wie möglich erreichen. Wenn in solchen Fällen der Tod eintritt und sie immer noch unverwirklicht sind, dann ist der Tod ein Hindernis. Angenommen, es ist jemandem bestimmt, im Alter von fünfzig Jahren zu sterben. Wenn er nun seelenvoll strebt und den Tod mit der gütigen Einwilligung des Supreme für weitere zwanzig oder dreißig Jahre zurückdrängen kann, was wird er während dieser Zeit tun? Er wird mit seiner aufrichtigen Strebsamkeit, seiner tiefsten Meditation und seiner höchsten Kontemplation fortfahren. Er wird wie ein Wettläufer ohne Unterbrechung seinem Ziel entgegenlaufen. Während dieser zusätzlichen zwanzig oder dreißig Jahre erreicht er vielleicht die letzten Grenzen, wo sein Ziel liegt. Aber wenn der Tod dazwischen tritt, dann wird er Gott in diesem Leben nicht verwirklichen. Im nächsten Leben können nur sehr wenige Seelen unmittelbar den Faden ihrer vergangenen Strebsamkeit wieder aufnehmen. Sobald wir in die Welt eintreten, kommen die ungöttlichen kosmischen Kräfte und greifen uns an. Die Unwissenheit, die Begrenzungen und die Unvollkommenheiten der Welt versuchen die Seele zu bedecken. In den formenden Jahren der Kindheit erinnert man sich an nichts. Ein Kind ist unschuldig, unwissend und hilflos. Dann, nach einigen Jahren, beginnt sich der Verstand zu regen. Wenn jemand zwischen acht und zwölf Jahre alt ist, erschwert der Verstand alles. Während der ersten elf, zwölf oder dreizehn Jahren des nächsten Lebens, vergessen fast alle Seelen ihre vergangenen Errungenschaften und ihren tiefsten inneren Schrei; ungeachtet ihrer Größe und ihrer Spiritualität. Doch es gibt spirituelle Meister oder große Sucher, welche in ihrer Kindheit einige hohe Erfahrungen habe oder beginnen, über Gott nachzudenken und ihn zu besingen. Aber in der Regel besteht kein starkes Bindeglied zwischen den Errungenschaften der Seele in ihrer vorangegangenen Inkarnation auf der Erde und den Kindheitsjahren im gegenwärtigen Leben. Es gibt ein Bindeglied, ein sehr subtiles Bindeglied, aber es tritt in den ersten zwölf oder dreizehn Jahren nicht sehr stark zum Vorschein. Einige Seelen gewinnen die Strebsamkeit ihres letzten Lebens bis zum Alter von fünfzig oder sechzig Jahren nicht wieder zurück. Vom spirituellen Gesichtspunkt aus sind diese fünfzig oder sechzig Jahre der folgenden Inkarnation voll und ganz verschwendete Zeit. Wenn jemand in diesem Leben fünfzig Jahre verliert und in der letzten Inkarnation bereits zwanzig oder dreißig Jahre verloren hat, dann sind das achtzig verschwendete Jahre. In diesem Fall würde ich sagen, dass der Tod ein wirkliches Hindernis ist. Wir müssen dieses Hindernis mit unserer Strebsamkeit, unserem ungebrochenen Streben aus dem Weg räumen. Strebsamkeit sollte wie eine Kugel sein. Sie sollte die Mauer des Todes durchschlagen. Schließlich wird das innere Wesen bewusst zum Vorschein kommen, auch wenn es einiger Zeit bedarf und der Mensch wird in seiner neuen Inkarnation anfangen, kraftvoll und aufrichtig zu beten und auf Gott zu meditieren. Dann wird er sehen, dass von seiner Vergangenheit nichts wirklich verloren ist. Alles ist im Erdbewusstsein, der gemeinsamen Bank aller Menschen, aufbewahrt worden. Die Seele wird wissen, wieviel sie auf der Erde erreicht hat, und all dies ist sicher im Erdbewusstsein, in der Erden-Bank aufbewahrt. Du kannst hier auf der Bank Geld deponieren. Dann kannst du nach England fahren und nach sechs Jahren oder später zurückkommen und dein Geld abheben. Die Seele tut das gleiche, nachdem sie die Erde für zehn oder zwanzig Jahre verlassen hat. Alles, was die Seele erreicht hat, wird in der Mutter Erde unversehrt aufbewahrt. Wenn die Seele zurückkommt, um für Gott auf der Erde zu arbeiten, gibt Mutter Erde alles wieder zurück. In den meisten Fällen geht während diesen paar Kindheitsjahren außer Zeit nichts verloren. Aber es ist besser, Gott in einem Leben zu verwirklichen, so dass wir unser bewusstes inneres Streben in dieser Übergangszeit nicht wieder verlieren. Wenn wir mit großem, aufrichtigem inneren Streben fünfzig bis hundert Jahre lang leben können, dann können wir viel erreichen. Wenn wir von einem wirklichen spirituellen Meister Hilfe bekommen, ist es möglich, Gott in einem Leben oder in zwei, drei Leben zu verwirklichen. Wenn kein wirklicher Meister da ist und wenn das innere Streben fehlt, dauert es hunderte und aberhunderte von Inkarnationen.

Was ist das Beste, das wir tun können, wenn wir sterben?

Für einen spirituellen Menschen ist es das Beste, sich die Gegenwart seines Meisters vor Augen zu halten. Die engsten Angehörigen sollten ein Bild seines spirituellen Führers vor ihn hinstellen und dem Meister erlauben, spirituell beim Sucher zu sein, wenn er seinen letzten Atemzug macht. Lass den Meister im allerletzten Atemzug des Suchers sein. Dann ist es die Pflicht, die Verantwortung des inneren Führers, das Nötige zu tun. Lange bevor du den Körper verlässt, wird dein Meister den Körper verlassen haben. So kannst du auf mich meditieren und ich werde dir helfen. Letztes Jahr starb dein Vater. Wenn du körperlich dabei gewesen wärest, hättest du so seelenvoll wie möglich meditieren müssen. Auch wenn dein Vater nicht bewusst mein Schüler war und unseren Weg nicht angenommen hatte - wer weiß, was er in seinem nächsten Leben tun wird? Du wusstest, dass es jemanden gegeben hätte, der deinem Vater hätte helfen können, während er im Sterben lag. Wir wissen immer, wer uns in welcher Situation helfen kann. Wenn wir krank sind, rufen wir einen Arzt. Wenn wir uns in rechtlichen Schwierigkeiten befinden, nehmen wir uns einen Anwalt. Hättest du deinem Vater helfen wollen, so hättest du sofort an mich denken und auf mich meditieren müssen. Wenn du gewaltige Strebsamkeit oder spirituelle Kraft besessen hättest, dann hättest du ihm all deine spirituelle Kraft gegeben. Doch deine spirituelle Kraft beschränkt sich vorläufig auf deine Strebsamkeit und die Quelle deiner Strebsamkeit liegt in deinem Meister, deinem Guru. Wenn du also einem deiner Liebsten helfen möchtest, musst du es auf diese Weise tun. Wenn sich deine Frage auf andere Leute bezieht, dann sollte man in diesem Fall wissen, wer ihnen auf der Erde am meisten Freude geschenkt hat oder an wen sie geglaubt haben, um das Beste tun zu können. War jemand ein überzeugter Christ, dann solltest du sofort bewusst und hingebungsvoll die Gegenwart Christi anrufen, auch wenn du selbst nicht diesem Weg folgst. In dieser Situation musst du deinem Freund helfen, seinen Glauben an Christus zu stärken. Du kannst den Namen von Christus laut wiederholen, dem Sterbenden ein Bild von Christus bringen und ihm aus der Bibel vorlesen. Auf diese Weise kannst du sein inneres Streben unterstützen. Stirbt ein spiritueller Mensch, der mich kennt, solltest du ihm aus meinen Schriften vorlesen und über mich sprechen. Doch wenn ein anderer Bekannter von dir stirbt, dann solltest du ihn in seinem eigenen Glauben bestärken.

Gibt es eine spezielle Art, wie wir auf einen sterbenden Menschen meditieren sollen?

Angenommen, du besuchst jemanden, den du nicht näher kennst, im Krankenhaus. In diesem Fall solltest du dich auf sein Herz konzentrieren. Du brauchst den Betreffenden nicht anzuschauen, doch richte deine ganze Konzentration auf sein Herz. Versuche als erstes, dir einen Kreis in seinem Herzen vorzustellen und zu fühlen, dass sich dieser Kreis wie eine Scheibe dreht. Das bedeutet, dass sich die Lebensenergie nun bewusst in der Strebsamkeit oder in den Gefäßen der kranken Person regt. Durch deine Konzentration und Meditation trittst du in den Herzschlag dieses Menschen ein. Sobald du in den Herzschlag eintrittst, drehen sich dein Bewusstsein und das strebende oder sterbende Bewusstsein des anderen Menschen gemeinsam. Während sie kreisen, bete mit deinem ganzen Wesen zum Supreme, der dein Guru und jedermanns Guru ist: „Möge sich Dein Sieg einstellen. Lass Deinen Willen durch diesen Menschen geschehen. Ich will nur Deinen Sieg.“ Sieg bedeutet nicht notwendigerweise, dass der Betreffende geheilt wird. Nein, Gott hat vielleicht aus gutem Grund entschieden, dass dieser Mensch den Körper verlassen soll. Wenn du ergeben zu Gott betest und der Mensch den Körper verlässt, dann erfüllst du Gott und kämpfst für Gottes Sieg. Wenn Gott ihn in den Himmel nehmen möchte, um dort etwas für ihn zu tun, dann ist es natürlich Gottes Sieg, wenn der Mensch den Körper verlässt. Wenn du für den Sieg Gottes betest, so übergibst du mit deinem Streben alle Verantwortung dem Supreme. Wenn du dem Supreme bewusst die Verantwortung übergeben kannst, dann tust du das Richtige.

Wie sollten sich die Angehörigen verhalten, wenn jemand stirbt?

Wir sind alle Reisende im selben Zug. Der eine ist an seinem Reiseziel anlangt. Er muss an dieser Haltestelle aussteigen, aber wir müssen weiterfahren und eine größere Entfernung zurücklegen. Wir müssen uns bewusst sein, dass jede Todesstunde von Gott gutgeheißen worden ist. Kein Mensch kann sterben, ohne dass Gott dies billigt und duldet. Wenn wir also Vertrauen zum Supreme haben, wenn wir Ihm Liebe und Ergebenheit entgegenbringen, werden wir fühlen, dass Gott unendlich viel mehr Mitleid hat als irgendein Mensch, unendlich viel mitleidsvoller ist als wir, die wir unsere Geliebten behalten möchten. Selbst wenn der Sterbende unser Sohn, unsere Mutter oder unser Vater ist, müssen wir wissen, dass Gott ihm oder ihr unendlich viel näher ist als wir. Gott ist unser Vater und unsere Mutter. Wenn jemand aus der Familie zu den Eltern geht, werden die anderen Mitglieder derselben Familie niemals traurig sein. Wenn wir das spirituelle Leben angenommen haben und wirkliche Freude haben möchten, müssen wir uns im klaren sein, dass wir das nur erreichen können, wenn wir unser Leben dem Willen des Supreme hingeben. Im Augenblick kennen wir den Willen des Supreme vielleicht nicht, doch wir wissen, was Hingabe ist. Wenn Gott jemanden aus unserem Leben wegnehmen möchte, müssen wir das annehmen. „Dein Wille geschehe.“ Wenn wir eine solche Haltung haben, dann werden wir die größte Freude empfinden. Diese Freude erweist demjenigen, der diese Welt verlässt, den größten Dienst. Wenn wir uns dem Supreme vollständig hingeben, wird diese Hingabe zur zusätzlichen Stärke und Kraft für die scheidende Seele, die hier unter der Knechtschaft leidet. Wenn wir unseren Willen wirklich dem Willen des Supreme unterwerfen, dann wird diese Hingabe der Seele, die kurz vor dem Verlassen der Erdenwelt steht, wirklichen Frieden, tiefsten Frieden bringen. Jene, die mit Meditation und Konzentration begonnen haben, erhalten Einblicke in ihre vergangenen Leben. Wenn wir glauben, dass wir eine Vergangenheit hatten und wissen, dass wir eine Gegenwart haben, dann können wir auch fühlen, dass wir eine Zukunft haben werden. Da wir das wissen, müssen wir uns folgender Wahrheit immer bewusst sein. Es gibt keinen Tod. In der Bhagavadgita heißt es: „Wie ein Mensch, der seine alten Kleider ablegt und neue anzieht, so legt die Seele ihren physischen Körper ab und nimmt einen neuen Körper an.“ Wenn wir wissen, dass der sterbende Mensch nur diesen alten Körper zu Seite legt, bevor er einen neuen annimmt und wenn auch die sterbende Person dieses Wissen besitzt, wovor soll man sich da noch fürchten? Wir wissen nicht, was der Tod eigentlich ist. Deshalb wollen wir so lange wie möglich auf der Erde bleiben. Aber wirklicher Tod ist nicht die Auflösung des physischen Körpers. Wirklicher Tod, spiritueller Tod ist etwas anderes.

Ich hatte einen jungen Freund, der erst vor sechs Wochen gestorben ist. Am Tag bevor er starb, sagte er seinem Vater, dass er am nächsten Tag sterben werde und so war es dann auch. Wie konnte er das wissen?

Warum nicht? Ist er nicht Gottes Kind? Wenn man beim Sterben stets an Gott denkt, kann man die Botschaft von seinem eigenen inneren Wesen erhalten. Als meine Mutter im Sterben lag, war ich gerade im Haus meines Onkels, sechs Meilen weit entfernt. Meine Mutter litt an einem Geschwür. Früh am Morgen sagte sie: „Diesen Morgen verlasse ich den Körper. Wohin ist Madal gegangen? Holt ihn bitte?“ Dann brachte mir ein Cousin die Nachricht und ich kam. Sie nahm meine Hand und schenkte mir ein Lächeln. Ihr letztes Lächeln. Sie verließ uns etwa eine Minute nachdem ich eingetroffen war, als ob sie auf mich gewartet hätte. Nun muss ich noch etwas hinzufügen. Meine Mutter war sehr spirituell und führte im wahrsten Sinne des Wortes ein inneres Leben. Was deinen Freund betrifft, so muss ich sagen, unzählige Menschen haben im voraus gewusst, wann sie sterben werden. Und für spirituelle Leute ist dies sehr einfach. Sie wissen es oft mehrere Monate im voraus.

Steht es in der Hand eines Menschen geschrieben, wann er stirbt?

Wir können nicht immer in der Hand lesen, wann jemand sterben wird. Wenn es sich um einen Unfall handelt, muss die Hand nicht immer stimmen, doch die Stirn drückt es immer richtig aus. Sie gibt eine direkte Schwingung ab. Auf der Stirn steht geschrieben, was dem Einzelnen morgen zustoßen wird und man kann es an der Nase ablesen, ob ein Unfall eintreten wird. Ich hatte einmal einen Freund, der mich sehr mochte. Sein Name war Ravi. Eines Abends um sechs Uhr übte er Speerwerfen. Als ich den Speer nahm, erblickte ich auf einmal Todeskräfte in ihm. Ich dachte: „Vergiss es am besten oder bete zu Gott!“ Ich wollte es nicht wissen. Als ich am nächsten Tag die Treppe hinunterging, stand er in der Nähe und ich sah dieselbe Kraft. Ich verwünschte mich und sagte mir, das seien nur geistige Halluzinationen. Etwa zwei Stunden später hörte ich, dass er einen Unfall gehabt hatte. Er war mit einem Freund auf dem Motorrad hinter einem Lastwagen hergefahren. Der Lastwagen hatte seine Geschwindigkeit verringert und Ravis Beifahrer glaubte, dass auch Ravi langsamer fahren würde. Doch der hatte den Griff falsch betätigt und beschleunigte stattdessen, so dass sie auf den Lastwagen aufprallten. Der Fahrer hatte den Aufprall gehört und fuhr die beiden ins Krankenhaus. Sie wurden beide in ein Zimmer gelegt. Ravis Mutter wollte ihn besuchen, doch sie durfte ihn nicht sehen, denn der Arzt sagte, dass beide Fälle ernsthaft seien. Ich glaube, er lebte nur noch drei Stunden. Eine Erscheinung kam zu mir, als ich Speerwerfen übte. Sein Todestag war der Tag unseres Speerwurf-Wettbewerbs, doch ich ging nicht hin. Ich ging nur zu seinem Begräbnis. In diesem Fall war es vorher bestimmt, dass er starb.

Angenommen jemand ist krank und medizinisch gesehen besteht keine Hoffnung mehr auf Genesung. Ist es dann ratsam, dem Betreffenden zu sagen, dass er sterben werde und ihm zu helfen, sich auf seinen Abschied vorzubereiten?

Dies ist eine sehr komplizierte Frage, es ist von Fall zu Fall verschieden. Die meisten Leute möchten leben, sie wollen nicht sterben, weil sie nicht wissen, was der Tod ist. Sie glauben, der Tod sei ein Tyrann, der sie auf alle möglichen Weisen peinigen und letztlich zerstören werde. Wenn das Karma eines Menschen abgelaufen ist und Gott möchte, dass der Betreffende den Körper verlässt, er aber vitalen Hunger hat und unerfüllte Wünsche hegt, dann will dieser Mensch auf der Erde bleiben, auch wenn die Seele keine solchen Wünsche hat. Er will dem Willen des Supreme nicht gehorchen. Was soll man mit einem Menschen mit einer solchen Einstellung tun? Wenn du ihm erzählst, dass Gott nicht möchte, dass er länger auf der Erde bleibt, dass er alle nötigen Erfahrungen in diesem Körper gehabt habe, dann wird er dich missverstehen. Er wird sagen: „Gott will nicht, dass ich den Körper verlasse, du bist es, der dies wünscht.“ Er wird denken, du seist grausam und gnadenlos. Wenn du in einem solchen Falle weißt, dass es der Wille des Supreme ist, dass dieser Mensch die Welt verlässt, dann ist es das Beste, still zur Seele dieses Menschen zu sprechen und zu versuchen, ihn zu inspirieren, sich an den Willen Gottes zu halten. Doch wenn der Mensch sehr spirituell und ein aufrichtiger Sucher ist, dann wird er von selbst zu seinen Bekannten und Angehörigen sagen: „Betet zu Gott, dass er mich hinwegnimmt. Ich habe mein Spiel hier auf der Erde beendet. Lest mir aus spirituellen Büchern vor - den Schriften, der Bibel, der Gita. Lasst mich nur Göttliches, Spirituelles hören, das mir helfen wird, meine Reise anzutreten.“ Sobald sie spüren, dass ihre Tage gezählt sind, sagen sehr viele Leute in Indien: „Je eher Er mich zu Sich nimmt, desto besser.“ Als meine Mutter starb, las sie während ihrer letzten Tage ununterbrochen in der Gita und sagte sich dabei: „Nun gehe ich zum ewigen Vater; ich möchte mich vorbereiten.“ Ein Patient dieser Art empfängt größere Freude, wenn er den Willen des Supreme kennt und Ihm gehorcht.

Tun Ärzte immer gut daran, ein Menschenleben so lang wie möglich zu erhalten oder ist das von Fall zu Fall verschieden?

Wenn es ein spiritueller Mensch ist, dann sollten die Ärzte und Verwandten unbedingt versuchen, ihn so lange wie möglich auf der Erde zu behalten, weil spirituelle Menschen immer gegen den Tod kämpfen. Doch es mag geschehen, dass jemand, der absolut nutzlos ist, in zwei Stunden sterben wird. Selbst, wenn man ihn weitere vierundzwanzig Stunden am Leben erhält, wird er kein einziges Mal Gottes Namen aussprechen. Aber wenn jemand die Fähigkeit hat, während seines Lebens Gottes Namen noch ein einziges Mal sehr seelenvoll auszurufen, dann wird er in der Seelenwelt etwas erreicht haben. Diese Errungenschaft wird den anderen Ergebnissen seines Lebens hinzugefügt werden und das Leben in seiner nächsten Inkarnation wird dadurch ein wenig besser sein. In Indien gibt es einige Menschen, die über zweihundert Jahre alt sind, doch sie haben keine Zeit, auch nur einmal in sechs Monaten oder im Jahr zu Gott zu beten. Vom spirituellen Gesichtspunkt aus gesehen gleichen diese Menschen einem Stein. Für sie ist jedes zusätzliche Jahr reine Zeitverschwendung. Doch wenn jemand noch eine Stunde länger auf Erden bleiben kann und in dieser Stunde Gottes Gegenwart anrufen kann, dann ist es für diese Person natürlich besser auf der Erde zu bleiben. Selbst wenn jemand nur unbewusst an Gott denkt, ist es besser für ihn, so lange wie möglich auf der Erde zu bleiben.

Wenn Ärzte einen Patienten töten, von dem man annimmt, dass er am Leben bleibt - laden sie sich ein schlechtes Karma auf?

Wenn Ärzte bewusst etwas Falsches tun, laden sie sich ernsthafte Probleme für ihre zukünftigen Inkarnationen auf. Ärzte sind nicht vollkommen, sie wissen vielleicht nicht genug über Medizin. Falls sie einen Fehler begehen und aus Versehen den Patienten töten, wird Gott ihre Unwissenheit vergeben. Können sie wiederum nicht genügend Aufmerksamkeit aufbringen, weil sie zu viele Patienten haben, dann wird der Supreme sehen, ob es ihre Schuld war. Aber töten sie jemanden vorsätzlich, um diesen Patienten loszuwerden, dann wird sie das Gesetz des Karmas ereilen.

Es gibt ein Mädchen, das wochenlang völlig bewusstlos war. Sie sagten, dass sie mehrere Jahre lang weiter existieren kann, ohne bei Bewusstsein zu sein. Wie steht es mit so einem Fall?

Wenn auch nur die leiseste Hoffnung besteht, dass die Lebenskraft noch in und durch diese Person wirkt, dann ist es das Beste zu versuchen, sie auf der Erde zu halten. Solange die Seele im Körper weilt, gibt es Hoffnung für diese Person. Wenn sie noch fünf Monate lang auf der Erde zubringen kann, ist es nicht vergeblich.

Sie versuchen nicht, sie wieder zu Bewusstsein zu bringen, sie erhalten lediglich den Körper am Leben. Es heißt, dass ihr Gehirn nicht mehr funktioniert, da keine Gehirnströme zu registrieren sind.

Sie sollten es weiterhin tun, weil die Lebensenergie immer noch arbeitet. Wenn die Seele nicht mehr da ist, kann auch die Maschine den Körper nicht mehr als einige Stunden lebendig erhalten. Ist die Schwingung der Seele vorhanden, dann wird man, auch wenn jemand das Haus verlassen hat, noch seine Gegenwart spüren. So arbeitet auch das Herz immer noch, da die Schwingung der Seele noch da ist.

Gibt es einen Grund für derartige Erfahrungen?

Der Supreme gebraucht Sein Gesetz des Karmas. Angenommen, die Eltern haben diesem Mädchen in einer früheren Inkarnation etwas sehr Schlechtes angetan. Nun sagt die Seele: „Gut, in dieser Inkarnation werde ich mich reinigen. Ich werde ausharren, ausharren und ausharren. Ihr werdet die Strafe für eure schlechte Tat büßen müssen. In dieser Inkarnation nehme ich Rache.“ Wenn die Seele weiß, dass der Patient nicht mehr zu retten ist und wenn dies auch die Familie weiß, dann erhält sie in diesem Augenblick ihre Genugtuung. Entweder die Seele genießt diese Erfahrung oder sie wartet auf den richtigen Zeitpunkt, um zu gehen oder es kann sein, das es nur eine Art Erfahrung für sie ist. Wir fühlen, dass diese Person wirklich tot ist, doch wer weiß, welche Art von Erfahrungen die Seele hat. Anstatt von fünf Minuten kann dies fünf Jahre andauern. Alles ist möglich. Es mag keine gesunde Erfahrung sein, doch die Seele möchte durch diese Erfahrung gehen. Gewöhnliche Menschen tun oft etwas jahrelang, um der Welt zu zeigen, dass das möglich ist, obwohl diese bestimmte Sache weder ermutigend noch inspirierend sein muss.

Können wir mit unserer Willenskraft den Zeitpunkt des Todes aufschieben?

Sicher.

Können wir ihn unbegrenzt aufschieben?

Spirituelle Meister können den Tod unbegrenzt aufschieben, wenn es Gottes Wille ist. Ein spiritueller Mensch erhält diese Kraft, wenn er die spirituelle Vollkommenheit erreicht hat, weil er sich dann Gott völlig hingegeben hat. Ein Schüler kommt zu einem Guru und gibt sich ihm uneingeschränkt hin. Ebenso muss sich ein Guru völlig Gott, dem Unendlichen hingeben. In dieser Hingabe wird er eins mit Gott. Er bricht das Gesetz Gottes nicht, er versucht es nur zu erfüllen. Wenn Gott sagt: „Ich möchte, dass du jetzt den Körper verlässt“, dann verlässt er den Körper. Aber wenn der spirituelle Meister sieht, dass ihn feindliche Kräfte angreifen, die vorzeitig seinen Tod verursachen wollen, dann benützt er seine Kräfte, weil Gott will, dass er auf der Erde lebt, um der Menschheit zu helfen. Es ist nutzlos, diese Kraft zu haben, wenn man nur zweihundert oder dreihundert Jahre auf der Erde leben möchte, um ein gewöhnliches tierisches Leben zu führen. Eine Schildkröte lebt über hundert Jahre, aber das bedeutet nicht, dass sie besser ist als ein Mensch. Was wir brauchen, ist unmittelbare Erleuchtung, die Kenntnis der Wahrheit, das Wissen vom Licht und das Wissen von Gott. Nicht Jahre, sondern Errungenschaften zählen.

Musstest du je mit den Todeskräften kämpfen, um das Leben eines Menschen zu retten?

Gerade am letzten Sonntag kam ich sehr spät zur Morgenmeditation. Die meisten von euch dachten, ich hätte geschlafen und geschnarcht. Was kann ich da tun? In Wirklichkeit kämpfte ich mit drei Todeskräften, die drei meiner engsten Schüler wegraffen wollten. Mit zweien wurde ich bald fertig, aber bei der dritten war ich ganz und gar nicht sicher, was geschehen würde. Erst am folgenden Tag erhielt ich die Versicherung, dass auch der Dritte überleben würde. Sonst hättet ihr miterlebt, dass an diesem Abend im New York Centre jemand gestorben wäre. Er stand kurz vor einem Herzschlag. Und der beste Teil der Geschichte ist, dass diese Person bei der Morgenmeditation dabei war und meditierte, während ich mit den Todeskräften kämpfte.

Ich arbeite in einer Krebsklinik, wo Patienten häufig sterben. Manchmal, wenn Leute im Sterben liegen, sehe ich eine Eigenschaft oder einen Ausdruck in ihrem Gesicht, der demjenigen sehr ähnlich ist, den ich manchmal auf deinem Gesicht sehe. Kannst du mir sagen, warum?

Wenn ich mit dem universellen Bewusstsein vereint bin, dann bin ich in jedermann. Viele Menschen auf der Erde sind nicht meine Schüler, aber sie sind aufrichtige Sucher. Und gottverwirklichte Seelen höchsten Ranges werden es sehen, wenn aufrichtige Sucher in ihrer Todesstunde oder dann, wenn ihre Tage gezählt sind, zu Gott beten. Ich sage dir, wenn sie zu Gott beten, zu Christus oder zu irgendjemanden, wenn sie wirklich aufrichtig an Gottes Tür klopfen, dann können sie mein Gesicht leuchten sehen, Buddhas Gesicht oder Krishnas Gesicht, denn unser Bewusstsein ist universell. Wer diese Leute sind, kann ich nicht sagen. Es gibt Tausende, die nicht direkt meine Schüler sind. Aber sie klopfen an die Türe des universellen Bewusstseins und empfangen dort mein Licht, mein Mitleid. Darum siehst du mein Gesicht auf ihrem Gesicht. Sie sehen mich und erhalten Hilfe von meinem mitleidsvollen inneren Wesen. Dabei geht ein erleuchteter Teil meines inneren Wesens, meiner inneren Existenz dahin, um ihnen ein wenig Trost, ein wenig Erleuchtung zu geben, so dass sie in der Welt der Seelen ein besseres Leben haben und als strebsame Menschen wieder zurückkommen können. Wenn du einen sterbenden Menschen anschaust und mein Gesicht siehst, dann wirst du wissen, dass dieser Mensch ein Sucher ist. Er braucht kein Schüler von mir zu sein. Aber wenn er ein außergewöhnliches, aufrichtiges Sehnen hat, kann ich aufgrund meines universellen Bewusstseins dort sein. Es kommt vor, dass meine Schüler höchst seelenvoll auf mich meditieren und sich so stark mit mir identifizieren, dass andere Schüler auf ihnen mein Gesicht sehen. Ihre Kraft der Konzentration auf mich ist so aufrichtig, so ergeben, so zielgerichtet und seelenvoll, dass die Schüler auf ihrem Gesicht mein Gesicht sehen werden, selbst wenn diese Person eine Frau ist. Dies ist verschiedentlich vorgekommen.

Manchmal verbrennen sich Leute aus Protest gegen den Krieg. Was erreichen sie damit vom spirituellen Standpunkt aus gesehen?

In einer Familie streiten sich die Brüder oft. Dann sagt die Mutter: „Wenn ihr nicht aufhört, dann bringe ich mich um.“ Ich weiss von vielen Fällen, in denen die Eltern Selbstmord begingen, nachdem sie es nicht geschafft hatten, die Harmonie in ihrer Familie aufrecht zu erhalten. Dann änderten sich die Kinder schlagartig. Als sie begriffen, dass ihre Eltern wegen ihrer Streiterei aus dem Leben geschieden waren, begannen sie ein neues Leben. Doch es dauerte nicht lange und schon lagen sie wieder miteinander im Streit. Vom spirituellen Gesichtspunkt aus ist Selbstmord zwecklos. Die Mutter hat sich für ihre Kinder geopfert. Sie dachte, sie würde durch ihr eigenes körperliches Opfer Harmonie stiften. Aber in der vitalen Welt gibt es für sie kein Entkommen, keine Vergebung. Für ihre Dummheit wird sie in die vitale Welt kommen und da wird sie bleiben. Warum hatte sie nicht die Weisheit, zu erkennen, dass die Kinder nicht ihre Kinder, sondern Gottes Kinder sind? Gott gab ihr diese Kinder. Warum bat sie nicht Gott, das Bewusstsein ihrer Kinder zu erleuchten? Warum betete sie nicht zu Gott für Harmonie und Frieden unter ihnen? Die Welt wird unwissend bleiben, bis Gott das Weltbewusstsein erleuchtet. Wenn wir unser persönliches Leben opfern, um Frieden zu stiften, werden die Weltprobleme nie gelöst werden. Viele Märtyrer, strebende Menschen und spirituelle Größen haben sich selbst getötet, doch das hat die Probleme der Welt nicht gelöst. Diese Probleme können nur durch spirituelles Streben gelöst werden, indem wir, während wir hier auf der Erde verweilen, zu Gott beten, dass Er die Welt erleuchtet. Unser persönlicher Tod kann das Gesicht der Welt niemals verändern. Aber wenn wir Gottes Segen, Gottes Gnade und Gottes Anteilnahme anrufen, dann kann das Problem gelöst werden.

Was ist der Unterschied zwischen einer Feuerbestattung und einem normalen Begräbnis?

Den äußeren Unterschied kennen wir. Bei der Feuerbestattung wird der Körper verbrannt, bei einem Begräbnis wird der Körper in einen Sarg gelegt und beerdigt. Speziell die Inder sind Feueranbeter. Sie glauben, dass Feuer nicht nur alles verzehrt, sondern auch alles reinigt. So haben wir einen Gott des Feuers. Sein Name ist Agni. Wir beten zu Agni um Reinigung und Selbsterkenntnis und ihm übergeben wir auch unsere Toten. Vom spirituellen Standpunkt aus wissen wir, dass der Körper aus fünf Elementen besteht: Erde, Wasser, Luft, Äther und Energie. Aus fünf Elementen entstand die physische Hülle und mit Hilfe des Feuers wird sie wieder in die fünf Elemente übergehen. Durch die Feuerbestattung löst sich der physische Leib in einem größtmöglichen Reinigungsprozess auf, der hier Verwandlung bedeutet. Doch auch diejenigen im Westen, welche das Begräbnis vorziehen, haben ihre eigene spirituelle Interpretation. Es stellt sich eine Art spirituellen Mitleides ein. Da der Körper uns so treu gedient hat, sagen wir: „Diesen Körper habe ich so viele Jahre gebraucht ohne ihm Ruhe zu gönnen. Nun ist die Seele nicht mehr da, der Vogel ist fortgeflogen. Ich möchte, dass der Körper die Gelegenheit erhält, sich auszuruhen und dass er in einen Sarg gelegt wird.“ Jene, die die Feuerbestattung bevorzugen, fühlen, dass der Körper, der in diesem Leben so viel verrückte, üble Dinge getan hat, eine Reinigung braucht. Und die anderen, die ein Begräbnis vorziehen, möchten dem Körper eine angenehme Ruhepause gönnen.

Hat es einen spirituellen Einfluss, wenn man seinen Körper der Wissenschaft überlässt?

Es ist weder edel noch verwerflich. Es ist lediglich eine individuelle Entscheidung. Wie wir wissen, wird der Körper manchmal verbrannt und manchmal wird er begraben. Sobald die Seele den Körper verlassen hat, ist es ihr egal, was mit dem Körper geschieht. Wenn der Vogel wegfliegt, bleibt nur der Käfig zurück. Dann können wir mit dem Käfig machen, was wir wollen. Für manche Menschen ist es befriedigend, wenn sie sagen: „Nachdem ich gestorben bin, soll mein Körper einer Klinik überlassen werden. Die medizinische Wissenschaft kann damit Experimente machen, welche in der Zukunft von großer Hilfe sein werden.“ Eine andere Person wiederum sagt: „Es soll nur Gottes Willen in und durch meine Verwandten wirken. Wenn sie möchten, können sie mich begraben. Wenn sie die Feuerbestattung vorziehen, sollen sie das tun.“ So überlässt er es ganz dem Wunsch seiner Angehörigen. Jemand anderes sagt vielleicht: „Nein, ich möchte, dass die Tradition fortgeführt wird. Ich will, dass mein Körper auf ganz normale Weise beerdigt beziehungsweise verbrannt wird.“ Aber keine spezielle Art wird Gott bevorzugt gefallen. Gott hat uns die Freiheit gegeben, individuell zu entscheiden. Wenn wir die Feuerbestattung wollen, wird Gott sagen: „Wunderbar“. Wenn wir ein Begräbnis wollen, wird Gott sagen: „Wunderbar“. Möchten wir, dass unser Körper, nachdem die Seele gegangen ist, einer Klinik zu experimentellen Zwecken überlassen wird, dann wird Gott in keiner Weise verstimmt oder unzufrieden mit uns sein.

Könntest du etwas über die Art von Tod und Wiedergeburt sagen, die sich im spirituellen Leben ereignet?

Wenn wir das spirituelle Leben aufrichtig, rückhaltslos und mit ganzem Herzen annehmen, fühlen wir, dass dies der wirkliche Tod der Unwissenheit, der Begierde und der Begrenztheit ist. Es ist der Tod unseres begrenzten, einengenden, unerfüllten und dunklen Bewusstseins im Vitalen. Dieser Tod findet auf der vitalen Ebene statt, da es das Vitale ist, welches nach der Erfüllung all seiner Begierden schreit, nicht das Physische. Wenn wir wirklich in das spirituelle Leben eintauchen, erfahren wir einen inneren Tod. Dieser Tod ist das Absterben unserer Vergangenheit, die Art und Weise, wie wir unsere Vergangenheit gestaltet haben. Wir werden das Gebäude der Wahrheit auf Strebsamkeit gründen, nicht aber auf Begierden und Sorgen oder auf Ängste und Zweifel. Die Vergangenheit wollte uns die Wahrheit auf eine bestimmte Art zeigen. Doch die Vergangenheit war nicht fähig, uns die Wahrheit zu zeigen; deshalb sind wir das, was wir gegenwärtig sind. Ob uns die Gegenwart die Wahrheit zeigen wird oder nicht, wissen wir nicht. Doch wir glauben, dass wir die Wirklichkeit entweder in der unmittelbaren Gegenwart oder in der schnell herannahenden Zukunft sehen werden, der Zukunft, die in die Unmittelbarkeit des Heute hineinwächst. Eines der Mysterien im spirituellen Leben ist, dass wir jeden Augenblick sterben und uns erneuern. Jeden Augenblick sehen wir, dass ein neues Bewusstsein, ein neuer Gedanke, eine neue Hoffnung, ein neues Licht in uns dämmert. Wenn etwas Neues dämmert, dann sehen wir, dass das Alte verwandelt worden ist – in etwas Höheres, Tieferes, Vollkommeneres. Im höheren spirituellen Leben können wir jeden Augenblick den sogenannten Tod unseres begrenzten Bewusstseins und seine Verwandlung in ein neues, helleres Bewusstsein erleben.

Wie kann ich wieder wie ein Kind werden und diese spirituelle Wiedergeburt erreichen?

Diese Wiedergeburt muss im Verstand, im Körper und im Vitalen erfolgen. Sie muss im innersten, unbewussten Teil in uns stattfinden, dem Teil, der von Unwissenheit, Unvollkommenheit und Begrenzung überdeckt wurde. Wenn diese spirituelle Wiedergeburt stattfindet und wir fühlen, dass ein neues Bewusstsein in uns dämmert, dann müssen wir versuchen, mit diesem Bewusstsein eins zu werden. Dann übergeben wir es Gott oder unserem Meister, so wie wir eine Blume überreichen würden. Wenn wir diese Blume überreichen, sollten wir fühlen, dass sie nicht etwas ist, was wir von einem Baum oder einer Wiese gepflückt haben, sondern dass es unser ganzes Wesen ist, das wir zu Füßen des Supreme legen. Dann werden wir sehen, wie diese Blume Blütenblatt um Blütenblatt erblüht. Wie ein Kind werden wir innerlich durch unseren inneren Duft erblühen. Tief in uns wird ein Kind wachsen und unser äußeres Alter wird abfallen. Das geschieht aber nur dann, wenn unser strebendes Bewusstsein vollkommene Meisterschaft über den Körper, das Vitale, den Verstand und das Herz besitzt und unsere ganze Existenz in eine Blume verwandelt ist, welche wir dem Supreme zu Füßen gelegt haben. Es ist für jedes menschliche Wesen, das in das spirituelle Leben eingetreten ist, unvermeidlich, in diesem Leben eine spirituelle Wiedergeburt zu erfahren. Jeder sollte fühlen, dass er ein bewusstes, dynamisches Instrument, ein Kind des Göttlichen ist. Jeder muss diese Wahrheit fühlen und mit dieser Wahrheit eins werden. Wenn das geschehen ist, ist das Kind nicht länger ein Kind, es wir zur Göttlichkeit selbst. Und dann ist Gottverwirklichung nicht nur möglich, sondern unvermeidlich. Nur ein Kind hat das Recht, auf dem Schoß des Vaters zu sitzen und der Vater hat Verlangen danach, das Kind auf seinem Schoß zu haben. Er ist stolz darauf, das Kind zu haben und das Kind ist stolz darauf, den Vater zu haben.

Kannst du etwas über die Ewigkeit und das ewige Leben sagen?

Als spiritueller Mensch kann ich Kraft meiner eigenen inneren Verwirklichung sagen, dass die Seele nicht stirbt. Wir wissen, dass wir ewig sind. Wir kommen aus Gott, wir sind in Gott, wir wachsen zu Gott und werden Gott erfüllen. Leben und Tod sind wie zwei Zimmer: vom Leben in den Tod zu gehen ist, wie von einem Zimmer in das andere zu gehen. Im Augenblick bin ich in meinem Wohnzimmer. Hier spreche ich mit euch, meditiere ich mit euch und schaue ich euch an. Hier muss ich meinen physischen Körper zeigen, hier muss ich arbeiten, aktiv sein und mein Leben zeigen. Dann gibt es noch einen anderen Raum, mein Schlafzimmer. Dort ruhe ich mich aus und schlafe. An diesem Ort muss ich niemandem meine Existenz zeigen, dort bin ich ganz für mich alleine. Wir kommen aus dem unendlichen Leben, dem göttlichen Leben. Dieses unendliche Leben verweilt für kurze Zeit auf der Erde, sagen wir fünfzig oder sechzig Jahre lang. Während dieser Zeit tragen wir das erdgebundene Leben in uns. Doch in diesem erdgebundenen Leben liegt das grenzenlose Leben. Nach einer Weile geht dieses Leben wieder durch den Korridor des Todes, fünf, zehn, fünfzehn oder zwanzig Jahre. Wenn wir in diesen Korridor eintreten, verlässt die Seele den Körper für eine kurze oder längere Ruhepause und kehrt in die Region der Seele zurück. Wenn die Person spirituell war, dann erhält die Seele dort das ewige Leben, das göttliche Leben wieder, welches vor dem Tod existierte, welches zwischen Geburt und Tod existiert, welches im Tod existiert und zur gleichen Zeit über den Tod hinausgeht. Während wir jetzt auf der Erde leben, können wir uns durch unser Streben und unsere Meditation in das Reich des ewigen Lebens versetzen. Doch in das endlose Leben einzutreten heisst noch nicht, dass wir es auch besitzen. Wir müssen bewusst hineinwachsen. Wenn wir in das Leben der Meditation tauchen, müssen wir letztlich zu einem Teil der Meditation werden. Und wenn wir fähig sind, vierundzwanzig Stunden am Tag zu meditieren, dann atmen wir unaufhörlich das endlose Leben ein. In unserem inneren Bewusstsein sind wir mit der Seele eins geworden. Wenn wir im Körper leben, ist der Tod ständig zugegen. Sobald Angst in unseren Verstand eindringt, sterben wir. Sobald negative Kräfte in uns eintreten, sterben wir. Wieviele Male sterben wir jeden Tag! Angst, Zweifel und Befürchtungen töten fortwährend unsere innere Existenz. Wenn wir hingegen in der Seele leben, existiert so etwas wie Tod nicht. Dort gibt es nur eine beständige Fortentwicklung unseres Bewusstseins, unseres strebsamen Lebens.

Der Tod ist nicht das Ende. Der Tod kann niemals das Ende sein. Der Tod ist die Straße. Das Leben ist der Reisende. Die Seele ist der Führer. Wenn der Reisende müde und erschöpft ist, weist der Führer den Reisenden an, eine kürzere oder längere Pause einzulegen und danach geht die Reise weiter.

Wenn sich im gewöhnlichen Leben ein unstrebsamer Mensch im Schlamm der Unwissenheit wälzt, hat der Tod einen echten Sieg errungen. Wenn im spirituellen Leben ein Strebender nicht nach dem höheren Licht, nach Glückseligkeit und Kraft schreit, dann ist dies die Geburt seines Todes.

Was können wir vom inneren Leben lernen, dem Leben, welches die Auslöschung des Todes anstrebt? Das innere Leben sagt uns, dass das Leben seelenvoll kostbar, dass die Zeit fruchtbar wertvoll sei. Leben ohne die Strebsamkeit der Zeit ist bedeutungslos. Zeit ohne die Strebsamkeit des Lebens ist nutzlos.

Unser Verstand denkt an den Tod. Unser Herz denkt an das Leben. Unsere Seele denkt an die Unsterblichkeit. Verstand und Tod können überwunden werden. Herz und Leben können ausgedehnt werden. Seele und Unsterblichkeit können erfüllt werden. Wenn Verstand und Tod überwunden sind, wird der Mensch eine neue Heimat haben: Licht, das Licht des Jenseits. Wenn die Seele und die Unsterblichkeit erfüllt sind, wird der Mensch ein neues Ziel haben: Glückseligkeit, die transzendentale Glückseligkeit. Heute glaubt der Mensch, der Tod sei eine unvermeidliche Notwendigkeit. Morgen wird der Mensch fühlen, dass Unsterblichkeit eine unmissverständliche Wirklichkeit ist. Unglücklicherweise hegen die meisten von uns falsche Vorstellungen über den Tod. Wir glauben, der Tod sei etwas Außergewöhnliches, etwas Zerstörerisches. Doch wir müssen uns bewusst sein, dass der Tod zur Zeit etwas Natürliches, Normales und bis zu einem gewissen Grade etwas Unvermeidliches ist. Krishna sagte zu Arjuna: „O Arjuna, gewiss ist der Tod für den Geborenen und gewiss ist die Geburt für den Toten. Was so unentrinnbar ist, sollte kein Grund zu Kummer sein.“ Die Chandogya Upanishade lehrt uns etwas sehr Bedeutsames: „Was sollen wir tun, wenn die Todesstunde naht? Wir sollten in drei erhabenen Gedanken Zuflucht nehmen. Wir sind unzerstörbar, wir können nie erschüttert werden, und wir sind der eigentliche Kern des Lebens.“ Wenn die Todesstunde naht und wir fühlen, dass wir niemals zerstört werden können, dass uns nichts erschüttern kann und dass wir der wahre Kern des Lebens sind, wo bleibt das Leid, wo bleibt die Angst, wo bleibt der Tod? Es gibt keinen Tod mehr.

Sarada Devi, die Lebensgefährtin von Sri Ramakrishna, sagte einmal: „Der Unterschied zwischen einem spirituellen Menschen und einem gewöhnlichen Menschen ist sehr einfach. Man kann den Unterschied zwischen den beiden leicht herausfinden. Ein gewöhnlicher Mensch weint und vergießt bittere Tränen, wenn der Tod naht, während ein spiritueller Mensch, wenn er wirklich spirituell ist, lachen und lachen wird, wenn der Tod naht, denn für ihn ist der Tod Spaß und nichts anderes.“ Hier müssen wir hinzufügen, dass ein spiritueller Mensch in das kosmische Spiel eintritt, er wird zu einem bewussten Instrument im kosmischen Spiel. Darum weiß er, dass der Tod kein Untergang ist. Er ist nur eine kürzere oder längere Pause. Wieder und wieder werden wir in die Welt zurückkommen müssen. Wir müssen hier auf der Erde für Gott arbeiten. Da gibt es kein Entrinnen. Wir müssen das Höchste hier auf der Erde verwirklichen. Wir müssen das Höchste hier auf der Erde erfüllen. Gott wird uns nicht erlauben, die Fähigkeiten und Möglichkeiten der Seele ungenutzt zu lassen oder zu verschwenden, unmöglich.

Dazu ein unvergänglicher Ausspruch Kiplings:

Sie werden zurückkommen, wieder und wieder,
solange die rote Erde sich dreht.
Nie hat Er ein Blatt oder einen Baum vergeudet.
Glaubst du, er würde Seelen verschwenden?

Jede Inkarnation führt uns zu einem höheren Leben, einem besseren Leben. Wir befinden uns in einem Evolutionsprozess. Jede Inkarnation ist eine Sprosse auf der Leiter der Evolution. Der Mensch macht bewusst und unbewusst Fortschritt. Doch wenn er in jeder Inkarnation bewusst Fortschritt macht, dann beschleunigt er seine spirituelle Entwicklung. Verwirklichung wird ihm viel eher zuteil als jenen, die unbewusst Fortschritt machen. Wir wissen, dass wir unsere Reise im Mineralreich begonnen haben und dann ins Pflanzenleben eingetreten sind. Dann kamen wir in das Reich der Tiere und von dort sind wir in die menschliche Welt gekommen. Doch das ist noch nicht das Ende. Wir müssen zu göttlichen Wesen heranwachsen. Solange wir nicht vergöttlicht und verwandelt sind, wird Gott mit uns nicht zufrieden sein. Er kann sich nur dann in uns und durch uns offenbaren, wenn wir ganz und gar umgewandelt und völlig erleuchtet sind. Wenn wir also an unsere Entwicklung denken – unsere innere Entwicklung und unsere äußere Entwicklung – sollten wir größte Freude verspüren. Wir verlieren überhaupt nichts im sogenannten Tod.

Der Sufimeister Rumi äußerte sich bezaubernd und seelenvoll über die Evolution:

Ich starb als Stein und entstand als Pflanze.
Ich starb als Pflanze und entstand als Tier.
Ich starb als Tier und ward geboren als Mensch.
Weshalb sollte ich mich fürchten?
Was habe ich durch den Tod verloren?

Was ist der Tod in Wirklichkeit? Der Tod ist ein schlafendes Kind. Und was ist das Leben? Das Leben ist ein Kind, das jeden Augenblick vor dem Vater spielt, singt und tanzt. Der Tod ist das schlafende Kind im Herzen des inneren Führers. Das Leben ist Inspiration. Das Leben ist Streben. Das Leben ist Erkennen. Das Leben ist nicht der urteilende Verstand. Das Leben ist nicht der intellektuelle Verstand. Das Leben ist nicht ein Spiel der Frustration. Nein, das Leben ist die Botschaft der Göttlichkeit auf der Erde. Das Leben ist Gottes bewusster Kanal, um die Göttlichkeit in der Menschheit auf Erden zu erfüllen. Es liegt viel Wahres an den Worten von Konfuzius:

„Wir kennen das Leben nicht.
Wie können wir den Tod kennen?“

Doch ich möchte dazu sagen, dass wir das Leben kennen können. Wenn wir das Leben als Gottes Verkörperung der Wahrheit, des Lichts, des Friedens und der Glückseligkeit erfassen, dann wissen wir, was das Leben wirklich ist und erkennen den Tod als nichts anderes als eine Rast, die auf der gegenwärtigen Stufe der Entwicklung notwendig ist. Die Zeit wird kommen, wo eine Ruhepause nicht mehr notwendig sein wird. Dann wird nur das Leben herrschen - das Leben des Jenseits, das Leben des ewig sich transzendierenden Jenseits. Dieses Leben ist nicht und kann nicht das alleinige Monopol eines Einzelnen sein. Jeder Mensch muss mit diesem Leben des ewig sich transzendierenden Jenseits überflutet werden, denn hier in diesem göttlichen Leben wird Gott sich selbst uneingeschränkt manifestieren – hier auf dieser Erde.