Schicksalswandel Teil III

Heute Nachmittag ist es kühl und der Himmel ist grau bedeckt. Nach vielen Wochen Trockenheit hat es endlich etwas geregnet. Der Kalender zeigt Samstag, den 3. Dezember 2011. Ich sitze an meinem Schreibtisch und blicke auf mein Leben zurück. Ich bin jetzt siebenundvierzig Jahre alt. Vor 21 Jahren wäre ich gestorben, hätte ich nicht den spirituellen Pfad von Sri Chinmoy eingeschlagen. Mein Körper ist nach wie vor schwach und ich kann keiner normalen Arbeit nachgehen, aber ich bin die meiste Zeit fröhlich und sehr dankbar, dass ich am Leben bin. Depressionen am Morgen, die wohl mit meinem Karma verbunden waren und wie ich sie zuweilen in den ersten 15 Jahren meiner Zeit als Schüler von Sri Chinmoy hatte, kenne ich nicht mehr. Wenn ich einmal mit schlechter Stimmung aufwache, dann ist sie spätestens nach der Morgenmeditation verschwunden. Ein gewisse innere Ausgeglichenheit und Zufriedenheit sowie ein Gefühl der Geborgenheit und ein tiefes Vertrauen in Gott begleiten seit einigen Jahren meinen Alltag trotz meiner körperlichen Einschränkungen - die ersten Früchte von fast 24 Jahren täglicher Meditation.

Trotzdem wird mein Gsri-chinmoy-new-york.jpgesundheitszustand immer einmal wieder schlechter oder besser. Ich muss wohl ein Karma mit langfristigen Auswirkungen abtragen. Auf einer Weihnachtsreise in Sri Lanka, erzählte Sri Chinmoy seinen Schülern einmal, dass er seinen Schülern 50 bis 90 Prozent von ihrem Karma abnehmen kann. Ich habe viele Male erlebt, wie Sri Chinmoy mein Karma unglaublich und spürbar erleichtert hat. (Foto: Sri Chinmoy)

Dieses Jahr wurde mein Körper wieder einmal sehr schwach. Nach geringster körperlicher Anstrengung bekam ich starke Schmerzen in der Lebergegend, so dass ich vorwiegend nur äußerst leichte Arbeiten wie Korrektur lesen verrichten konnte, Pausen einlegen und zudem am Abend viel Zeit im Liegestuhl verbringen musste. Wenn ich mich etwas übernommen hatte, dann erholte ich mich in der Regel bis zum nächsten Tag wieder. An einem Tag erholte ich mich jedoch nicht mehr, im Gegenteil, zu Schmerzen und Übelkeit kam hinzu, dass sich meine Leber anfühlte, als würde etwas darin herumquirlen. Zudem war ich extrem kraftlos. Das homöopathische Medikament, dass ich regelmäßig einnahm, wirkte nicht mehr. Ich setzte mich an meinen Meditationsplatz und begann wie ein Kind spontan um Hilfe zu beten. Nach kurzer Zeit erfüllte mich tiefer Friede und wenige Minuten später waren Schmerzen, Übelkeit und die quirlige Unruhe in meiner Leber verschwunden und ich fühlte mich sehr wohl. Diese Erfahrung habe ich einige Male gemacht, als Sri Chinmoy noch lebte. Als Sri Chinmoy im April 1989 München besuchte, saß ich mit starken Kopfschmerzen im Auto und war unterwegs ins Hilton Hotel, wo Sri Chinmoy einen Physiknobelpreisträger treffen und ehren wollte. Plötzlich erfüllte mich tiefer Friede und meine Kopfschmerzen verschwanden. Als ich dann im Hotel Sri Chinmoy zum ersten Mal in meinem Leben im Abstand von wenigen Metern gegenüber stand und er mir in die Augen blickte, empfand ich anschließend denselben tiefen Frieden für einige Zeit.

Im Oktober 2007 starb Sri Chinmoy oder besser ausgedrückt: verließ er seinen Körper. Aus meiner persönlichen Erfahrung heraus, kann ich in vollem Umfang die folgende Aussage von Sri Chinmoy bestätigen:

"Wenn aber der ursprüngliche Guru, dir das Versprechen gab, dass er egal wohin er gehen wird, nachdem er die Erde verlassen hat, er in dir sein und bei dir sein wird, um dir zu helfen, sogar wenn du noch für weitere 40 oder 50 Jahre auf der Erde bleibst. In diesem Fall ist es, wie wenn man zwei Zimmer besitzt. Hier ist ein Zimmer (das Leben), und dort ist das andere Zimmer (der Tod). Gewöhnliche Menschen können die Tür nicht öffnen. Wenn der Guru (Wort aus dem Sanskrit: 'Lehrer' oder 'Derjenige, welcher erleuchtet') die Türe öffnet, sieht er dich, und wenn er in sein eigenes Zimmer zurückgeht, hat er immer noch freien Zugang zu dieser Tür. Wenn der Guru einmal das Versprechen gab, ist er daran gebunden, es zu halten. Er wird dich nicht verlassen, bis er dir vollständige Verwirklichung gegeben und dich zu Gott gebracht hat."

Ich werde für immer dafür dankbar sein, dass mein Guru mich als Passagier in seinem Boot akzeptiert hat. Ich fühle, dass es mich an das Ufer bleibenden Friedens und bleibender Freude fährt, trotz all der inneren und äußeren Kämpfe im Leben.

Antaranga Gressenich

München, Dezember 2011