Reinheit im Vitalen

Die Seele ist rein, was immer um sie herum auch geschieht. Doch im Physischen, im Vitalen, im Verstand und im Herzen muss Reinheit erst verankert werden. Wie können wir Reinheit im Verstand erhalten? Wir können Reinheit im Verstand erhalten, indem wir unser Denken weit machen. Wenn ein Gedanke kommt und uns binden will, können wir sofort versuchen, ihn auszudehnen. Wenn es uns gelingt, einen Gedanken weit zu machen, werden wir sehen, dass wir in einen unbegrenzten Raum eintreten, in dem nichts als Reinheit existiert. Im Vitalen können wir Reinheit erhalten, wenn wir in jedem Augenblick fühlen, dass wir ein göttlicher Krieger sind. Als göttlicher Krieger müssen wir mit unserer dynamischen Kraft gegen Furcht, Zweifel, Sorgen und andere negative Regungen kämpfen. Wenn wir diese Kräfte besiegen können, wird unser Vitales rein werden. Reinheit im Physischen können wir erhalten, indem wir mit Sauberkeit beginnen. Außerdem sollten wir während des Tages unseren Atem mindestens zwanzigmal bewusst Gott anbieten. Auf diese Weise können wir in allen Bereichen unseres Wesens Reinheit erlangen.

Reinheit muss in allen Wesensteilen des Suchers verankert werden. Wenn es einem Sucher an Reinheit im Physischen mangelt, kann die Reinheit im Herzen, die Reinheit im Verstand und die Reinheit im Vitalen nicht lange in ihm bleiben. Physische Reinheit ist von überragender Bedeutung. Wir müssen das Physische, das uns bindet und uns ständig zu ungöttlichen Impulsen führt, die nichts anderes als spirituellen Tod bedeuten, überwinden. Sobald Reinheit im Physischen verankert ist, kann die Reinheit in den anderen Bereichen in uns bleiben und in uns einen Schrein erschaffen, in dem das Göttliche dauerhaft wohnen kann.

Reinheit ist das Licht unserer Seele, die ihre Göttlichkeit durch den Körper, das Vitale und den Verstand zum Ausdruck bringt. Wenn wir rein sind, gewinnen wir alles. Wenn wir unsere Reinheit aufrechterhalten können, werden wir niemals etwas verlieren, das sich zu besitzen lohnt. Heute haben wir vielleicht großartige Gedanken oder große innere Macht, doch morgen werden wir sie wieder verlieren, wenn wir keine Reinheit besitzen. Reinheit ist der Atem des Supreme.

Wenn Reinheit einmal fest verankert ist, vor allem im Vitalen, ist im inneren und im äußeren Leben viel erreicht. In der Reinheit des Menschen weilt die höchste Göttlichkeit Gottes. Die Reinheit des Menschen ist der Atem Gottes. Reinheit ist unermessliche Macht. Wir können alles erreichen mit Reinheit. Doch wenn wir unsere Reinheit verlieren, können wir leicht stürzen, werden wir zerbrechen, auch wenn wir Macht, Reichtum oder Einfluss besitzen.

Alle spirituellen Sucher haben ausnahmslos die Notwendigkeit von Reinheit gesehen und gefühlt. Heute erklimmen sie mit der Kraft ihrer höchsten Reinheit den inneren Mount Everest, am nächsten Tag jedoch stürzen sie in den tiefsten Abgrund. Wenn Reinheit verloren geht, ist alles verloren, dann ist Gott selbst verloren. Wenn Reinheit gewonnen wird, ist die ganze Welt gewonnen, das gesamte Universum.

Tiefe Freude (engl. delight, Sanskrit: ananda) und Vergnügen sind zwei verschiedene Dinge. Wenn einem das innere, spirituelle Leben wichtig ist, wird man tiefe innere Freude erhalten. Wenn einem das normale menschliche Leben wichtig ist, wird man Vergnügen erhalten. Auf Vergnügen folgt immer Frustration, denn im Vergnügen gibt es keine dauerhafte Erfüllung. Doch innere Freude ist allerfüllend. Diese Freude erhalten wir nur in der spirituellen Vereinigung mit dem Göttlichen, mit unserem inneren Wesen. Wir müssen wissen, was wir wollen. Wenn wir Vergnügen wollen, dann ist die Vereinigung von Mann und Frau für eine Zeit lang ausreichend. Doch wenn wir tiefe Freude wollen, den Nektar der Unsterblichkeit, die unsterbliche Glückseligkeit, dann müssen wir uns auf den Pfad der Spiritualität begeben und die höchste Vereinigung zwischen Mensch und Gott erlangen.

Mit der Kraft unserer inneren Sehnsucht müssen wir dem Licht entgegenlaufen. Dann werden wir sehen, dass zwischen Vergnügen und Freude ein großer Unterschied besteht. Auf Vergnügen folgt immer Enttäuschung, und auf Enttäuschung folgt unweigerlich Zerstörung. Auf Freude jedoch folgt mehr Freude, überfließende Freude und in der Freude erhalten wir wahre Erfüllung.

Das tierische Leben des Menschen und das göttliche Leben Gottes passen nicht zusammen. Um die höchste Wahrheit zu erlangen, benötigt ein Sucher die völlige Reinigung und Umwandlung seines niederen Vitalen. Wenn jemand wirkliche Freude will, immerwährende Freude, dann muss er das Bedürfnis nach Sexualität transzendieren. Wenn ein Sucher mit grenzenlosem Frieden, grenzenlosem Licht und grenzenloser Seligkeit überflutet werden will, dann muss er schließlich über das Bedürfnis nach Sex hinausgehen. Ansonsten werden allübersteigender Frieden, Licht und Seligkeit für ihn in weiter Ferne bleiben.

Wir benötigen einen starken inneren Willen, den Willen der Seele, um unsere Begierden langsam und stetig zu überwinden. Wir müssen unser Bedürfnis nach Sex mit der Kraft unseres inneren Strebens allmählich verringern. Es wird ein Tauziehen stattfinden zwischen unserer Strebsamkeit und dem grobphysischen Verlangen, und allmählich wird unsere Natur gereinigt werden.

Wenn du deine Begierden überwinden willst, gibt es nur eines zu tun. Du musst, nicht auf Biegen und Brechen, sondern auf eine positive Weise dem Licht mehr Beachtung schenken. Wenn du versuchst, das Verlangen deines Vitalen auf repressive Art zu unterdrücken, wird es dir nicht gelingen, dieses körperliche Bedürfnis zu überwinden. Du musst dich für das Licht öffnen und das Licht in dir erreichen oder erfahren. Wenn du ständig an deine Begierden, dein Vitales, dein sexuelles Leben denkst, wirst du nie fähig sein, sie zu überwinden, es ist unmöglich. Selbst wenn du mit der Absicht, sie zu überwinden, an sie denkst, machst du einen Fehler. Denke an die anderen Dinge wie Licht und Freude, die du brauchst und die du tatsächlich haben willst. Durch Konzentration und Meditation kannst du innere Freude und inneres Licht erhalten. Dann wirst du versuchen, sie in dein Grobphysisches zu bringen, und schließlich wird auch dein physisches Wesen göttliche Freude und göttliches Licht fühlen. Zu diesem Zeitpunkt wird das Leben des zerstörerischen Vergnügens dich verlassen und das Leben der erfüllenden Freude wird dich umarmen.

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Frage: Immer wenn ich eine schöne Frau sehe, treten sexuelle Gedanken in meinen Verstand ein. Ich versuche, sie zu zerstören, aber es gelingt mir nicht.

Sri Chinmoy: Es gibt zwei Methoden, das Problem zu lösen. Sobald du eine schöne Frau siehst, versuche dich zu konzentrieren und hebe sie mit deinem Willen in die Höhe, so dass sie fliegt wie ein Drachen. Der andere Weg, der leichteste Weg, besteht darin, einer Frau nur auf die Füße zu schauen. Indische Sadhus sagen, man solle einer Frau nur auf die Füße schauen, nicht in ihre Augen, nicht in ihr Gesicht. Wenn du unmittelbare Befreiung von der Versuchung willst, dann schau nur auf die Füße. Schau auf ihre Füße und versuche dabei, mit deinem ganzen Bewusstsein tief nach innen zu gehen. Dazu brauchst du nur eine Sekunde. Entweder hebst du die Frau in die Höhe oder du schaust auf ihre Füße. Auf diese Weise werden niedere vitale Gedanken sofort unter Kontrolle sein. Doch diese Methoden sind nur etwas für Anfänger. Eines Tages wirst du Frauen mit offenen Augen anschauen müssen und mit deinen inneren Erfahrungen, mit deiner eigenen inneren Verwirklichung, über das Gefühl von Mann und Frau hinausgehen müssen. Es gibt nur ein universelles Bewusstsein, es gibt kein männlich oder weiblich. Es gibt nur ein einziges Bewusstsein, das in zwei unterschiedlichen Formen fließt. Dieses Gefühl entwickelt sich nur parallel zu deiner eigenen inneren Entwicklung. Es ist ein sehr fortgeschrittenes Stadium. Im Augenblick fühlen wir vielleicht nicht einmal unser Einssein mit unseren Gliedmaßen. Wenn ich eine Kugel mit meiner rechten Hand weiter stoßen kann als mit meiner linken, schenke ich meiner rechten Hand mehr Beachtung und ignoriere meine linke Hand. Ich habe viele Sportler gesehen, die ihre linke Hand verflucht haben, weil sie die Hilfe der linken Hand brauchten, auch wenn sie nicht so kräftig war wie die rechte. Wenn wir nicht einmal Einssein mit unseren beiden Händen fühlen können, wie können wir mit einem anderen Menschen eins sein? Mit Strebsamkeit und mit unserer eigenen spirituellen Entwicklung wird die gesamte Schöpfung unser eigen. Dann gibt es keine Schwierigkeit mehr.